Die deutschen Automobilhersteller stehen vor zwei zentralen Herausforderungen: einer ungünstigen demografischen Entwicklung und veralteten Organisationsstrukturen. Der durchschnittliche Mitarbeiter in der deutschen Industrie ist 44 Jahre alt, während das Durchschnittsalter in den USA und China bei 38 Jahren liegt. Dies mag auf den ersten Blick unwesentlich erscheinen, hat jedoch gravierende Auswirkungen.
Ältere Belegschaften neigen dazu, auf erlernte Prozesse und bewährte Methoden zurückzugreifen – ein Verhalten, das in stabilen Zeiten wertvoll ist, in Krisenzeiten jedoch oft zu zögerlichen Entscheidungen führt. Jüngere Belegschaften, wie sie in den USA und China vorherrschen, sind dagegen eher bereit, neue Wege zu gehen und Innovationen zu wagen.
Zusätzlich erschweren hierarchische Strukturen, wie sie in Deutschland üblich sind, schnelle und flexible Anpassungen. Die Organisationen sind oft in Funktionen und Fachbereiche unterteilt, wobei jede Abteilung ihre eigenen Ziele verfolgt. Diese Fragmentierung führt zu ineffizienten Schnittstellen und einer „Schachtelmentalität“, bei der Innovationen durch bürokratische Prozesse behindert werden.
Aus der Perspektive einer optimalen Teamorganisation, ergeben sich drei wesentliche Nachteile der traditionellen Strukturen:
Die Hierarchie der Lieferketten – von Tier-1- bis Tier-n-Lieferanten – verstärkt diese Probleme noch. Jeder Zulieferer arbeitet für sich, anstatt in den gesamten Produktentwicklungsprozess integriert zu sein. Das führt zu Produkten, die durch Kompromisse geprägt sind, anstatt durch Exzellenz.
Um diese Herausforderungen zu überwinden, ist ein radikaler Wandel notwendig: weg von starren Hierarchien und hin zu flexiblen, kundenorientierten Teamstrukturen, die auf klare Verantwortlichkeiten und schnelle Anpassungsfähigkeit setzen.
Der Schlüssel zur Überwindung der strukturellen Herausforderungen liegt in einer grundlegend neuen Herangehensweise an Organisation und Zusammenarbeit. Diese beginnt mit einem Paradigmenwechsel: Weg von hierarchischen und funktionalen Abteilungsstrukturen hin zu flexiblen, interdisziplinären Teams, die entlang der Wertschöpfungskette ausgerichtet sind. Dies ist nicht nur eine organisatorische, sondern vor allem eine kulturelle Transformation.
Die erste grundlegende Veränderung ist die Bildung sogenannter Stream-Aligned Teams. Diese Teams sind nicht nach Funktionen, sondern nach dem Endprodukt organisiert. Sie bestehen aus Experten verschiedener Disziplinen, die gemeinsam die volle Verantwortung für einen bestimmten Teil des Produkts tragen – von der Idee bis zur Auslieferung.
Für besonders komplexe Bereiche, wie z. B. das Bordnetz eines Fahrzeugs, werden Complicated Subsystem Teams eingesetzt. Diese Teams bündeln hochspezialisierte Expertise und arbeiten eng mit den Stream-Aligned Teams zusammen.
Zur Unterstützung der produktorientierten Teams sind Platform Teams erforderlich, die standardisierte Tools, Technologien und Services bereitstellen. Diese Plattformen erleichtern es den anderen Teams, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.
Die Umstellung auf neue Strukturen und Denkweisen erfordert eine gezielte Unterstützung der Teams. Enabling Teams fungieren hier als Coaches, die Wissen vermitteln, Prozesse optimieren und Hindernisse beseitigen.
Durch die Neuausrichtung auf kundenorientierte Wertströme ergeben sich weitreichende Vorteile:
Die neue Struktur erlaubt es, alte Barrieren zu durchbrechen und die Zukunft aktiv zu gestalten. Sie setzt auf Eigenverantwortung, Zusammenarbeit und die Konzentration auf das Wesentliche: den Kunden. Die Automobilindustrie in Deutschland hat das Potenzial, wieder eine globale Vorreiterrolle einzunehmen – wenn sie den Mut hat, diese Veränderungen konsequent umzusetzen.
Wenn wir über Innovation sprechen, sind die USA und China unvermeidliche Vergleichsgrößen. Beide Länder haben einen ganz eigenen Ansatz, der uns in Deutschland wertvolle Lektionen bietet.
In den USA ist Agilität das Schlüsselwort. Unternehmen wie Tesla und Rivian haben bewiesen, dass mutige Entscheidungen und der Wille, schnell zu handeln, bahnbrechende Innovationen hervorbringen können. Dort arbeitet man nicht nach Perfektionsprinzipien, sondern nach dem Motto: Fail fast, learn faster. Fehler werden nicht als Scheitern betrachtet, sondern als Teil des Lernprozesses.
China wiederum zeigt uns die Kraft von kollektiver Zielverfolgung. In chinesischen Unternehmen gibt es eine beeindruckende Disziplin und Ausrichtung auf das Gesamtziel. Entscheidungen werden schnell getroffen, umgesetzt und skaliert, weil die Mentalität vorherrscht: "Gemeinsam schaffen wir mehr." Mitarbeiter werden auf Basis der Ergebnisse bewertet, nicht auf Basis der Zeit, die sie investieren.
Doch so beeindruckend diese Ansätze auch sind, sie haben ihre Schwächen: In den USA fehlen oft langfristige Planungen, und in China kann die Hierarchie Innovationsfreiheit einschränken. Was Deutschland aus beiden Systemen lernen kann, ist die Balance: Wir brauchen die Disziplin der Umsetzung und den Mut, Risiken einzugehen.
Deutschland ist ein Land der Denker und Ingenieure. Unsere Stärke lag immer in der Präzision und im Perfektionismus. Doch die Welt hat sich verändert, und wir müssen uns anpassen, ohne unsere Wurzeln zu verlieren.
Der Wunsch, alle Risiken vorab auszuschließen, hat uns oft gehemmt. Innovation entsteht jedoch im Experimentieren und im Annehmen von Unsicherheiten. Es ist an der Zeit, das Sicherheitsnetz ein Stück weit loszulassen.
Während wir noch darüber debattieren, wie wir alte Prozesse optimieren, setzen andere Nationen bereits neue Maßstäbe für Kundenerlebnisse. Wir müssen weg von einem produktzentrierten Denken hin zu einem Fokus auf echte Kundenbedürfnisse.
Die Stärke unserer Wettbewerber liegt in ihrer Fähigkeit, Wissen zu teilen und bereichsübergreifend zusammenzuarbeiten. Es ist Zeit, die Silos niederzureißen – nicht nur zwischen Abteilungen, sondern auch zwischen Unternehmen und ihren Zulieferern.
Fehler sind unvermeidlich, doch anstatt sie zu verstecken, müssen wir sie analysieren und daraus wachsen. Wir sollten stolz darauf sein, wenn wir aus einem Scheitern neue Wege entwickeln.
Deutschland hat die Ressourcen, die Expertise und die Innovationskraft, um auch in Zukunft eine Führungsrolle in der Automobilindustrie einzunehmen. Aber das schaffen wir nur, wenn wir bereit sind, offen und ehrlich miteinander zu sprechen – mit Empathie, aber auch mit Klarheit.
Unsere Mitarbeiter verdienen es, die Wahrheit zu hören: Die Welt verändert sich, und unser Markt wird es auch. Aber diese Veränderungen sind keine Bedrohung, sondern eine Chance. Wenn wir uns zusammenschließen, können wir eine Zukunft gestalten, in der alle profitieren – Unternehmen, Mitarbeiter und Gesellschaft.
Deutschland ist mehr als ein Standort – es ist eine Gemeinschaft von Menschen, die Großes erreichen können, wenn sie an einem Strang ziehen. ein Teil der Welt schaut auf uns, und wir haben die Chance, nicht nur eine Lösung für unsere eigene Industrie zu finden, sondern ein globales Beispiel zu setzen, wie Transformation gelingt.
Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können aus ihr lernen. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden darüber entscheiden, wie unsere Kinder und Enkelkinder morgen leben. Lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen – mit Mut, Entschlossenheit und einem klaren Blick auf die Zukunft.
Es ist nicht einfach, aber es lohnt sich. Wenn wir uns die Werte zurückrufen, die Deutschland groß gemacht haben – Fleiß, Erfindergeist und Zusammenhalt – dann können wir nicht nur die Herausforderungen der heutigen Zeit bewältigen, sondern auch eine Zukunft schaffen, auf die wir alle stolz sein können.
Was denkst du über die Veränderungen in Teamstrukturen und ihre Auswirkungen auf die Zukunft von Unternehmen und Innovationen? Lass uns deine Gedanken in den Kommentaren wissen – dein Input ist wichtig für die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft!